Das Trautonium im Rundfunk

(Oskar Sala, Gespräch vom 1. September 1989)

Ich möchte noch einmal zur Anfangszeit des Rundfunks zurückkommen. Sie machten ja damals viele Konzerte mit dem Trautonium. Wer hat denn damals eigentlich Rundfunk gehört? Es gab in dieser Zeit auch viele Schwarzhörer, die sich ihre Radioapparate selbst gebaut hatten.

Ja, die Detektorempfänger ((Ein Detektorempfänger war ein einfaches Rundfunkgerät, das nur aus wenigen Bauteilen bestand und selbst zusammengebaut werden konnte.)). Ich hatte mir selbst einen gebaut, als Schüler am Gymnasium. Zu dieser Zeit hatte jeder seinen Empfänger, mit Kopfhörer und kleinem Lautsprecher. Von einem meiner Klassenkameraden hatte der Vater ein Radiogeschäft, da waren dann die Super-Heterogene-Empfänger drin, da hat man gehört und gestaunt. Ich selber habe einen solchen Apparat einmal von Berlin in meine thüringische Heimat geschleppt, denn in Berlin gab es einen tollen Laden, der war in der Franklinstraße. Irgendwie bin ich auf den gekommen und fand zu meinem Erstaunen dort viel ausgedientes Postmaterial, wunderbare Relais und Schalter und was weiß ich nicht alles. In diesem Instrument ((Gemeint ist damit das alte Mixturtrautonium.)) sind noch Postrelais drinnen, die ich 1934/35 aus diesem alten Laden rausgeholt hatte. Die Post hatte diese Dinger einfach weggeschmissen, Silberkontakte, Platinkontakte, die habe ich mir natürlich dann alle genommen und habe damit das Rundfunktrautonium bestückt, habe das Konzerttrautonium bestückt und habe hier drin auch noch welche. Besonders in den Pedalschaltungen. Hier ((Gemeint ist damit das neue Mixturtrautonium)) machen die Herren das jetzt anders, ohne solche Relais. Aber bei mir, da funktionieren die jetzt noch, die haben sich also fabelhaft bewährt, das waren tolle Konstruktionen, schöne große Relais mit Silberkontakten, manche haben Platinkontakte. Und da habe ich auch Rundfunkapparate gefunden, da hat Loewe mal eine ganze Serie hingegeben, da habe ich einen für billiges Geld gekauft, unter den Arm genommen und in meine Thüringische Heimat geschleppt und da hatten die plötzlich so einen schönen großen Rundfunkempfänger und konnten dann sehr schön Rundfunk hören.

Der Rundfunk war dann wichtig, als das Rundfunktrautonium da war. Da konnte ich dann ermessen, wer Rundfunk hörte. In der Anfangszeit kann ich nicht viel darüber sagen, ob die Leute Radio gehört haben; jedenfalls die Radiogeschäfte gingen, die haben ihre Apparate verkauft. Dann natürlich, wie ich selber Sendungen gemacht habe, da war mir das natürlich interessant, ob da ein Echo kommt und da kamen Echos, viele Echos.

Wie sah das denn damals aus, wenn sie eine Sendung machten?

Das war ganz schön anspruchsvoll. Das hieß immer »Musik auf dem Trautonium«, eine Viertelstunde, 15 Minuten, ich konnte Programm machen wie ich wollte, keiner hat mir Vorschriften gemacht. Zuerst habe ich mich natürlich nach Literatur umgesehen, die nicht irgendwelche klassischen Bereiche verletzte – so dieser Blödsinn, den jetzt die anderen mit »Play Bach« und so machen – dessen habe ich mich immer enthalten: Mozart nicht, und Bach auch nicht. Ich bin dann auf Busoni gekommen und ausgefallenes von Schumann. Später bin ich dann natürlich darauf gekommen, dass ich mich jetzt unbedingt spieltechnisch vervollkommnen musste, denn jetzt allmählich muss ich zeigen, was das Instrument kann. Und dann fing ich eben mit meinen Paganini-Studien an. Da kam ich dann auch auf die Umkonstruktion mit dem Pedal ((Hier ist die Oktavumschaltung angesprochen; durch eine seitliche Drehung der Pedale konnte die Oktavlage des Bandmanuals nach oben oder unten versetzt werden.)) und habe ich mich ganz auf die Virtuosität geschmissen, was natürlich eine unfreiwillige Inangriffnahme eines wahnsinnig zeitraubenden und anstrengenden Repertoires war. Aber letztendlich hatte es doch Erfolg, denn das Instrument hat sich dann zu einem virtuosen Instrument entwickeln lassen; sonst wäre auch das Trautoniumkonzert von Genzmer nie gekommen. Da musste das Instrument schon mal vorher etwas gezeigt haben. Und damit habe ich dann meine Rundfunksendungen hauptsächlich bestritten. Es war fast in jeder Sendung mal irgend ein Paganini drin und die Hörer hatten auch nichts dagegen gehabt, wenn ich das nach zwei Monaten noch einmal im Programm hatte.

Und sie haben alles live gespielt!

Immer!

Und dann kam Genzmer natürlich. Der hat mir dann immer wunderbare Sachen geschrieben, das auch stets geübt werden musste. Es waren hübsche Stücke, die man wirklich öfters spielen konnte. Dann haben wir solche Sachen gemacht, wie sie gestern im Konzert gehört haben ((Sala bezieht sich hier auf das Konzert vom 30. August 1989 auf dem Funkausstellungsgelände. Über Band eingespielt wurde das virtuose Capriccio für Trautonium und Orchester von Wolfgang Friebe von 1938, in einer Aufnahme vom 19. Februar 1943 mit dem Grossen Berliner Rundfunkorchester unter der Leitung von Otto Dobrindt.)), die Komponisten vom Sender haben sich dann auch damit befasst, das war nicht nur Friebe ((Wolfgang Friebe, 1909-1989, Komponist von Unterhaltungsmusik.)), da kamen dann auch Häntzschel ((Georg Häntzschel, Intermezzo für Trautonium und Orchester(1940).)) und andere; solche Sachen waren auch sehr nett. Es gab letztendlich trotz der vielen Sendungen manchmal zweimal in der Woche eine Viertelstunde, keine Programmschwierigkeiten. Ich habe das also immer irgendwie füllen können.