Trautonium live – Harald Genzmer

(Oskar Sala, Gespräch vom 1. September 1989)

Harald Genzmer war Mitschüler bei Hindemith und hat diese ganzen Entwicklungen miterlebt, dadurch ist die Zusammenarbeit sehr eng geworden. Wir haben beschlossen, etwas Neues mit dem Rundfunktrautonium zu probieren und eine Sache mit Orchester zu machen. Das haben wir erst einmal außerhalb des Rundfunks ausprobiert, was ein bisschen mühevoll war, weil das Instrument nicht so sehr für den Transport gebaut war. Das veranlasste mich später ein neues Instrument zu bauen. Ich hatte schon Ideen für eines in dieser kompakten Form meines späteren Mixturtrautoniums, das habe ich dann realisiert und Genzmer hat lebhaft Anteil daran genommen, sich erkundigt wie man Spielen kann, was man weiter verändern kann; daraufhin hat er einen ersten Konzertversuch ausgearbeitet, der dann zu einem richtigen dreisätzigen Konzert für Trautonium und Orchester wurde. 

»Neuer Klang auf neuem Instrument. Im Philharmonischen Sonderkonzert unter Karl Schuricht erklang zum ersten mal im repräsentativsten Konzertsaal der Welt eines der neuen elektrischen Musikinstrumente. So virtuos, so überlegen und musikalisch gespielt wie von Oskar Sala, fanden Werk, Wiedergabe und Instrument, fanden aber ebenso der Komponist, der Dirigent und der neue Solist im Konzertsaal geradezu sensationellen Erfolg«. (Berliner Lokalanzeiger, 1940)

»Oskar Sala als Solist war natürlich eine faszinierende Figur, völlig souverän und hatte eine ganz natürliche Ausstrahlung, die sich sofort auf das gesamte Publikum übertrug. Er ging auf jede Regung des Orchesters ein, spielte mit dem Orchester und dem Dirigenten in einer geradezu idealen Weise zusammen, war garnicht ein großspuriger Solist, sondern fügte sich dem ganzen so ein, wie es eben das Werk verlangte«. (Harald Genzmer)

Das war natürlich ein Höhepunkt, dass man da mit dreißig Jahren immerhin da oben auf diesem Podium saß; es war ein sehr angenehmes musizieren in diesem wunderbaren Saal, von dem schwärme ich ja heute noch; unersetzlich und nie wieder so wie heute, die alte Philharmonie in der Bernburger Straße. Ein phantastischer Saal. Ich hatte einen Lautsprecher, der war in einem Schrank drin, damit und mit dem ganzen Orchester war die Philharmonie wunderbar zu füllen, so dass es den Eindruck, den die Kritiker hier wiedergeben hat gemacht hat: Erstaunlich, fabelhaft. Wir haben es dann einige Male gespielt, damals als ich noch rumreiste. Wir haben auch nach dem Krieg in Berlin wieder gespielt und auch andernorts noch, weil es auch ein historisches Stück war. Die Kisten für die Lautsprecher stehen noch nebenan, zusammen waren es sechs oder sieben Kisten mit 400 bis 450 Kilo; Artistengepäck hieß das Ganze, Artistengepäck.

 

Auch bei den Genzmer-Konzerten ist nie eine technische Panne passiert. Es ist nie etwas wesentliches vorgekommen. Die sämtlichen vierzig Aufführungen mit dem ersten und zweiten Konzert, und das will auch allerhand heißen. Bis man da den Aufbau geschafft hat; das Instrument ist ja auch nicht so leicht aufzubauen und dann müssen die Lautsprecher noch untergebracht werden. Auch bei den Bühnenaufführungen war es nicht einfach; obwohl, die großen Lautsprecher kamen immer unter die Decke. Telefunken hat drei Quadratmeter Schallwände angefertigt, die wurden dann – weil sie sehr schwer waren, von der Polizei überprüft – oben aufgehängt, der Lautsprecher kam oben drauf, der andere Lautsprecher kam auf die Bühne und der dritte war bei mir im Orchester. Da kam ein Klang von oben runter, das war unglaublich; aber natürlich auch lebensgefährlich, wenn der Lautsprecher heruntergefallen wäre, da hätte es noch Tote gegeben. Aber das wurde genau geprüft. Jedenfalls war das eine ungeheure Arbeit, die schweren Lautsprecher gingen auch nicht über jede Treppe; an allen Bühnen wo ich war, war das immer eine sehr schwierige Aufgabe.

 

Sobald dann der Rundfunk oder eine Plattenaufnahme dazukommen, geht natürlich der eigentliche Schmelz der Sache weg. Das Überdimensionale kann damit natürlich nicht eingefangen werden, das geht einfach nicht. Vielleicht mit Kopfhörern, wenn man eine originale Akustik reproduziert. Trotzdem hoffe ich, dass die originalen Aufführungen nicht aufhören, dass nicht alles Rundfunk und digital wird, dass man eben noch so etwas machen kann, wie wir es bei Genzmer gemacht haben. Nicht gerade mit Orchester, dafür plädiere ich nicht mehr so sehr, das ist zwar sehr schön und für den Spieler ganz dankbar, wenn er in der Lage ist das durchzuhalten, aber ich glaube, die Entwicklung müsste doch zur rein elektronischen Geschichte gehen. Dass man das also auch in den großen Konzertsälen alles rein elektronisch realisiert. Der Solist soll Solist sein, einer oder zwei oder wie viel auch immer, aber der übrige Klang sollte eben auch nur elektronisch sein. Dass man das einmal macht… ich werde es vielleicht nicht mehr fertig bringen, die Aufgabe ist zu groß, aber das würde mich noch reizen, so etwas mal zu machen.

Das hat man ja auch in den Dreißiger Jahren versucht, mit dem Thereminorchester oder dem Konzert auf der Funkausstellung 1930. Aber die Rezeption von elektronischer Musik im Konzertsaal ist ja bekanntermassen schwierig.

Ja, nun… Ganz stimme ich Ihnen da nicht zu. Wenn ich an glanzvolle Genzmer-Aufführungen denke, mit den Philharmonikern, auch damals in der alten Philharmonie, da kommt schon irgend etwas klangliches raus, was die Elektronik durchaus ganz legal neben das wunderbare Orchester stellt. Ohne Zweifel. Wenn man aber jetzt im Saal sitzt und die lassen ihre Computermusik los, einer sitzt am Mischpult und macht ein bisschen so oder so, da passiert nicht viel, da gebe ich Ihnen recht, da sollte dann jemand sein, der es interpretiert, dann ist die Spannung da, dann ist auch das Mitgehen da, dann hat man auch irgendetwas davon. Aber das wäre nun mein Gebiet hauptsächlich, da möchte ich solange ich lebe, so etwas noch machen; vor allem wo jetzt wieder ein Instrument da ist, vor zwanzig Jahren hat man das ja nicht gemacht. Aber, ich weiß nicht, ob ich es versäumt habe, aber diese Filmgeschichten waren doch auch so interessant und da war für mich die reine Tonbandelektronik auch so interessant; nachdem ich nun alles hatte, warum sollte ich da nicht auch mal Tonbandelektronik machen.