Die Anfänge mit dem Trautonium

(Oskar Sala, Gespräch vom 1. September 1989)

Wie kamen Sie eigentlich nun konkret zum Trautonium? Sie kamen doch nach Berlin an die Musikhochschule ((Die Musikhochschule in Berlin-Charlottenburg)), um eigentlich Komposition und Klavier zu studieren. Aber das erste Bild, das ich von Ihnen am Trautonium gesehen habe, war von 1930, da waren Sie gerade 20 Jahre alt. Da müssen Sie ja sofort in den Kreis um Hindemith ((Paul Hindemith, 1895-1963, Komponist, Dirigent und Bratscher im Amar-Quartett, einer der bedeutenden Komponisten in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, setzte sich besondern mit den damaligen Neuen Medien des Rundfunk und der elektrischen Klangerzeugung auseinander. Er komponierte zahlreiche Werke für das Trautonium.)) und Trautwein ((Friedrich Trautwein, 1888-1956, Konstrukteur des ersten Trautoniums, das ab 1933 von Oskar Sala weiterentwickelt wurde. Der studierte Physiker war als Postrat tätig und arbeitete an der Errichtung des ersten deutschen Rundfunksenders. Nach 1949 war er am Robert-Schumann-Konservatorium in Düsseldorf für die Tonmeisterausbildung zuständig. 1952 entwickelte er für das Kölner Studio für Elektronische Musik das Melochord.)) gekommen sein.

Es kam einfach deshalb, weil… Hindemith hat ja niemanden ausgesucht, sondern er sagte, komm, wir sehen uns das einmal an oben ((Hiermit ist die Rundfunkversuchsstelle gemeint, die im Dachgeschoss der Musikhochschule untergebracht war und sich mit den künstlerischen Anforderungen des damals neuen Medium Rundfunk auseinandersetzte.)), was bei Trautwein los ist. Und da kamen alle. Genzmer ((Harald Genzmer, 1909-2007, Studienkollege von Sala und ebenfalls Kompositionsschüler von Hindemith. Er komponierte zahlreiche Werke für Trautonium und Klavierbegleitung und zwei Konzerte für Trautonium und Orchester.)) war in dem Jahr nicht da, der kam damals leider ausgerechnet nicht mit, aber die anderen kamen alle mit und wir haben uns das angesehen, und irgendjemand hat auch ein paar Tönchen gegriffen, ob das Trautwein war oder Hindemith selbst ein bisschen was probiert hat, weiß ich nicht mehr; jedenfalls er hat es ja vorher schon gekannt, sonst hätte er uns ja gar nicht hingeführt. Und dann war die Überraschung allgemein, sowohl bei mir wie auch bei den anderen, wie ich dann plötzlich am anderen Tag wieder hinaufging, und ich Trautwein fragte, ob man sich hier eventuell beteiligen kann; ich war dann durch irgendetwas fasziniert da oben zu spielen und Hindemith merkte das und sagte, na ja, also schön, dann machen sie mal da oben, wir wollen da ja etwas unternehmen und wenn sie da Spaß dran haben, dann gehen sie einmal da rauf… Und dann kam ich in die Hochschulkantine mit einem weißen Laborkittel, was natürlich für Heiterkeit sorgte, »was ist denn los, gibt er schon auf, wird er jetzt etwa Techniker da oben…« es war also ein bisschen etwas Merkwürdiges, aber es hat mich so fasziniert, dass ich dann eben da oben weitergemacht habe und die anderen nicht; ich war der einzige.

Standen denn die anderen praktischen Musiker schon damals der Elektronik negativ gegenüber? Wie man es ja heute noch antrifft…

Ja und nein! An der Hochschule zunächst nicht. Das hat sich merkwürdigerweise dann erst wie es auf das Dritte Reich zuging etwas verschärft, von Leuten, von denen ich es nie angenommen hätte. Es gab einmal einen kleinen Krach, wie der Leiter des Schülerorchesters sagte, komm, wir nehmen mal ein Trautonium, sie spielen irgend etwas, da habe ich eine Hornpartie oder irgend so etwas übernommen und da gab es hinterher ein wenig Krach, weil jemand sagte, was sollen jetzt diese Dinger hier, sollen wir jetzt alle aufhören? Ich meine, es hat mich eigentlich nicht so sehr beeindruckt, denn es war irgendwo ein Versuch, der mal gemacht wurde; warum denn nicht, und solange die Sache mit Hindemith und Schünemann ((Georg Schünemann, 1884-1945, war stellvertretender Direktor und ab 1932 Direktor der Berliner Musikhochschule; während seiner Amtszeit setzte er sich verstärkt für den Umgang mit den Medien Rundfunk und Elektrizität ein.)) abgesprochen war, war ja nichts einzuwenden: Wer sollte denn da schon angreifen, gegen die Neue Musik hatte niemand etwas, die sollen ihre Experimente ruhig machen hieß es, da habe ich keine Widerstände gehört. Nur wie gesagt am Schluss, am Übergang zum Dritten Reich, wie da plötzlich ein großes Ding, »Wider die mechanische Musik« an der Hochschulmauer hing und einer meiner Klavierlehrer auch noch mit zu den Unterzeichnern gehörte, da habe ich das Klavierfach bald aufgegeben als Hauptfach, ich war zwar angenommen, aber nachdem das nun kam, war es mit Klavier vorbei. Es war mit Klavier sehr ungünstig damals, Berlin war ja überfüllt und die möblierten Studentenbuden; ich hatte meinen Flügel, der steht hier im Studio drüben noch, meinen schönen alten Studentenflügel, den habe ich bis heute gerettet über den Krieg, er hat es überstanden im Lager, und ich wollte ihn nicht wegschmeißen, er steht also in meinem anderen Zimmer drüben. Aber damals war es schlecht, man konnte da ein Klavierstudium, wie ich es gewöhnt war, nicht durchführen so wie im väterlichen Haus; im Salon konnte man spielen wann man wollte, so lange wie man wollte und da konnte man die Konzerte und alles wunderbar vorbereiten. Aber hier in Berlin, in der Enge, in den Verhältnissen hat mich das so ein bisschen angewidert, dass man da nun in den Mietwohnungen plötzlich anfängt Klavier zu dreschen; Klavier ist ein sehr quälerisches Instrument was Mietwohnungen anbelangt. Aber trotzdem wollte ich meinen Flügel jetzt nicht wegwerfen, noch verschenken, noch sonst etwas; ich habe ihn hier mit reingenommen, vielleicht fällt mir mal etwas ein, wo der Flügel mal etwas merkwürdiges übernehmen kann, in irgendeiner Form

Gerade Klavier und elektronische Klänge, das geht ja wunderbar zusammen …

… nun, das haben wir ja auch Jahrzehnte gemacht, alles was Genzmer komponiert hat war ja zu 90% – außer seinen Konzerten – mit Klavier. Auch andere haben das gemacht, da haben wir sehr schöne Sachen rausgekriegt.